« Keine Erteilung von Einzelprokura an ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ | Home | Sanierung eines mangelhaften GmbH-Gesellschafterbeschlusses durch Bestätigungsbeschluss »
GmbH-Generalversammlung: Behandlung nicht ordnungsgemäß angekündigter Tagesordnungspunkte
von Dr. Lukas Fantur | 16. August 2010
- Aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien:
- Heilung des Beschluss bei Anwesenheit oder Vertretung aller Gesellschafter
- Bloß körperliche Anwesenheit allein nicht maßgeblich
- Anwesenheit im rechtlichen Sinn entscheidend
- Zumindest schlüssige Zustimmung erforderlich
- Beteiligung an der Beschlussfassung
- Im konkreten Anlassfall keine Zustimmung
- Schutz vor Überrumpelung
- Relevanztheorie maßgeblich
- Über mich
- Kommentare (1)
In der Generalversammlung einer GmbH wurde über einen nicht rechtzeitig angekündigten Tagesordnungspunkt abgestimmt.
Was dann gilt, hatte das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden. Ich war an diesem Beschlussanfechtungs-Verfahren als Vertreter eines Gesellschafters im Zuge einer „Nebenintervention“ beteiligt.
Aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien:
Heilung des Beschluss bei Anwesenheit oder Vertretung aller Gesellschafter
Nach § 38 Abs 4 GmbH-Gesetz tritt in einem solchen Fall eine Heilung nur dann ein, wenn sämtliche Gesellschafter
- anwesend oder
- vertreten
sind.
Bloß körperliche Anwesenheit allein nicht maßgeblich
Unter den Worten „anwesend oder vertreten“ ist nicht schlechthin die bloß körperliche Anwesenheit zu verstehen, weil man von einem Gesellschafter nicht verlangen kann, dass er bei der Beschlussfassung über einen angekündigten Gegenstand zugegen ist, sich bei einem nicht angekündigten Gegenstand entfernt, um dann zurück zu sein, wenn wieder ein angekündigter Gegenstand verhandelt wird.
Anwesenheit im rechtlichen Sinn entscheidend
Zumindest schlüssige Zustimmung erforderlich
Es ist vielmehr zu prüfen, ob der Gesellschafter auch im rechtlichen Sinn anwesend ist.
§ 38 Abs 4 GmbH-Gesetz schützt vor Überrumpelung. Es muss daher verlangt werden, dass der Gesellschafter der Änderung der Tagesordnung zumindest schlüssig zustimmt.
Beteiligung an der Beschlussfassung
Eine derartige Zustimmung kann darin liegen, dass sich der Gesellschafter inhaltlich an der Beschlussfassung beteiligt hat; im Mitstimmen kann daher Zustimmung zur geänderten Tagesordnung liegen.
Dabei ist durch Auslegung festzustellen, ob der Gesellschafter durch sein Mitstimmen seine ursprüngliche Weigerung, den Beschluss überhaupt zuzulassen, aufgeben wollte.
Das wäre etwa dann der Fall, wenn sich der Gesellschafter
- an der Beratung des Gegenstands sachlich beteiligt und
- zu ihm Anträge stellt.
Im konkreten Anlassfall keine Zustimmung
Eine Zustimmung durch den Kläger ist hier aber nicht zu erkennen. Der Vertreter des Klägers sprach sich ausdrücklich gegen die Abstimmung aus, weil dieser Antrag nicht auf der Tagesordnung gestanden und die gesetzliche Frist nicht eingehalten worden sei. Er beteiligte sich nicht an einer inhaltlichen Diskussion.
Der Umstand, dass der Kläger letztendlich gegen den Antrag stimmte, reicht nicht hin, um ihn hier als „anwesend oder vertreten“ anzusehen, sodass in der Generalversammlung der angefochtene Gesellschafterbeschluss fehlerhaft erfolgt ist.
Schutz vor Überrumpelung
§ 38 Abs 4 GmbHG soll vor allem vor Überrumpelung schützen.
Die Tatsache, dass eine Generalversammlung zweifelsfrei gleich entschieden hätte, wenn die Abberufung rechtzeitig angekündigt worden wäre, reicht nicht hin, um einen Anfechtungsgrund zu verneinen (so aber noch RIS-Justiz RS0059771 [sog Kausalitätstheorie]).
Relevanztheorie maßgeblich
Im Lichte der von der jüngsten Rechtsprechung zur Anfechtung von Gesellschaftsbeschlüssen vertretenen Relevanztheorie (6Ob91/08p), liegt hier kein irrelevanter Mangel vor, der die grundsätzliche Anfechtbarkeit ausschließen würde.
Durch das Ignorieren der gebotenen Ankündigungsfrist wurden nämlich konkrete Partizipationsinteressen des Klägers als Minderheitsgesellschafter verletzt, die nicht als irrelevant zu qualifizieren sind.
Quelle: OLG Wien 28.06.2010, 1 R 134/10y
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das GmbH-Recht, insbesondere die Beratung und Vertretung im Gesellschafterstreit. Über mich.
- Treuwidrige Stimmabgabe in GmbH-Generalversammlung
- Sanierung eines mangelhaften GmbH-Gesellschafterbeschlusses durch Bestätigungsbeschluss
- Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen bei der GmbH
- Geschäftsführer: Mehrheitserfordernis bei Beschlussfassung über Begründung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses
- GmbH-Generalversammlung: Kein Teilnahmerecht des Beraters eines Nicht-Gesellschafters
- Vertretung der GmbH im Verfahren wegen Beschlussanfechtung
- Ad hoc beschlossene Abberufung eines Geschäftsführers mit nachfolgendem Bestätigungsbeschluss
- Mangelhafte Gesellschafterbeschlüsse bei einer Personengesellschaft
- Scheinbeschlüsse bei der GmbH
- Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten bei GmbH
Themen: Gesellschafterbeschlüsse, Gesellschafterstreit, GmbH | 1 Kommentar »
3. Januar 2011 um 10:31
laut Ges.Vertrag( Gründung 1961 ca. 200 Gesellschafter)erfolgte die Einführung eines Aufgriffsrechtes für bestehende Geselschafter (1976).Anwesend ca.40%ein einstimmiger Beschluss wurde gefasst.2006 erfolgte eine Übertragung an eine Gesellschaftsfremde Person,der Firmenbuchantrag wurde nicht Unterzeichnet,ein Prozess war die folge,das Argument des OLG .der Beschluss ist nicht rechtskräftig weil nur eine notarielle Protokollierung und nicht alle Gesellschafter vorhanden waren. Meine Frage wann tritt dann eine Heilung überhaupt ein ?????????