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Keine Kreditschädigung durch rechtskonforme Ausübung des Auskunftsrechts eines Aktionärs
von Dr. Lukas Fantur | 23. November 2019
Äußerungen eines Aktionärs in der Hauptversammlung, die einen Dritten an Ehre und Ruf schädigen, sind nicht ausnahmslos verboten. Wann sie gerechtfertigt sind, sagt eine aktuelle OGH-Entscheidung.
Zusammenfassung der Begründung des OGH:
Äußerungen eines Aktionärs in der Hauptversammlung, die einen Dritten an Ehre und Ruf schädigen, sind jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn
- dies durch Fragen und Vorhalte des Aktionärs in der Hauptversammlung in Ausübung seines Auskunftsrechts geschieht und
- zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich ist und
- der Dritte eine entsprechende Verdachtslage geschaffen hat.
Gegenstand des Verfahrens sind von einem Streubesitzaktionär bei der Hauptversammlung im Zuge von Fragen und Vorhalten an den Vorstand getätigte Äußerungen. Diese bezogen sich auf (versuchte) Einflussnahmen des Klägers und auf den auf den Vorstand der Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit deren geplantem Zusammenschluss mit einer brasilianischen Gesellschaft.
Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung
Nach dem Aktiengesetz ist ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich ist.
Das Auskunftsrecht der Aktionäre gehört zu den in der Hauptversammlung wahrzunehmenden Mitgliedschaftsrechten. Dabei dient das Fragerecht der Aktionäre auch der Information der anderen Aktionäre und der Hauptversammlung als ganzer.
Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt
Der geplante Zusammenschluss der Aktiengesellschaft mit der brasilianischen Gesellschaft war nach dem Vorbringen des Klägers ein „Thema“ der Hauptversammlung. Dass der Beklagte mit der Ausübung des (ihm als Geschäftsführer einer Aktionärin) zustehenden Auskunftsrechts, das sich gerade auf diesen Gegenstand bezog, ein in der Rechtsordnung verankertes Recht in Anspruch nahm, ist nicht zweifelhaft.
Der Beklagte nahm das für die Ausübung des Fragerechts des Aktionärs gesetzlich vorgesehene Forum in Anspruch. Wesentlich war auch, dass ein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft das vom Beklagten in seinen Äußerungen angesprochene Treffen zwischen dem Vorstand der Aktiengesellschaft und dem Kläger, das eine Verdachtslage im Hinblick auf potentiell schädigende Handlungen der Entscheidungsträger der Aktiengesellschaft geschaffen habe, am Ende der Hauptversammlung zugab; weiters, dass erst durch die kritischen Fragen des Beklagten ein Beratungsvertrag zwischen dem Kläger und der Aktiengesellschaft hervorkam.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass angesichts dieser Umstände das Informationsinteresse des Beklagten und der übrigen Aktionäre gegenüber dem Recht des Klägers an seiner Ehre und seinem Ruf als überwiegend anzusehen sei, ist vertretbar und bedarf keiner Korrektur im hier zu beurteilenden Einzelfall.
Quelle: OGH 24.07.2019, 6 Ob 34/19x
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien mit Tätigkeitsbereich GmbH-Recht, Autor zahlreicher Publikationen zum GmbH-Recht und Herausgeber der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht.
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