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Jahresabschluss: Zwangsstrafenverfahren zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht auf dem Prüfstand des EU-Rechts
von Dr. Lukas Fantur | 9. Oktober 2011
Der Oberste Gerichtshof hat keine EU-rechtlichen Bedenken am neuen Zwangsstrafenverfahren. Das Oberlandesgericht Innsbruck hingegen hat den Europäischen Gerichtshof angerufen.
OGH: Keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken
Dass die Regelungen über die Bilanzpublizität nach §§ 277 ff UGB gemeinschaftsrechtskonform sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Auf die neuerlich gestellte Anregung der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist ging der OGH in aktuellen Entscheidungen zum Zwangsstrafenverfahren daher nicht ein.
Vorlageantrag des OLG Innsbruck an EuGH
Anders das Oberlandesgericht Innsbruck. Dieses richtete folgendes Ansuchen um Vorabentscheidung am den Europäischen Gerichtshof:
I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gebeten, folgende Fragen im Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 AEUV) zu beantworten:
Steht das Unionsrecht […], insbesondere
- die Niederlassungsfreiheit rel=“nofollow“ der Art 49, 54 AEUV;
- der allgemeine Rechtsgrundsatz (Art 6 Abs 3 EUV) des effektiven Rechtsschutzes (Grundsatz der Effektivität);
- der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art 47 Abs 2 GRC (Art 6 Abs 1 EUV) und Art 6 Abs 2 EMRK (Art 6 Abs 1 EUV);
- das Doppelbestrafungsverbot des Art 50 GRC; oder
- die Vorgaben für die Sanktionen im Offenlegungsverfahren nach Art 6 Rl 68/151/EWG, Art 60a Rl 78/660 EWG und Art 38 Abs 6 Rl 83/349 EWG;
einer nationalen Regelung entgegen, die bei Überschreitung der gesetzlichen, neunmonatigen Frist zur Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses gegenüber dem zuständigen Firmenbuch- (=Register-) Gericht
- ohne vorherige Stellungnahmemöglichkeit zum Bestehen der Offenlegungspflicht und zu allfälligen Hinderungsgründen, insbesondere ohne vorherige Prüfung, ob dieser Jahresabschluss überhaupt schon dem Registergericht der Hauptniederlassung vorgelegt wurde; und
- ohne vorherige individuelle Aufforderung an die Gesellschaft oder an die vertretungsbefugten Organe, der Offenlegungspflicht zu genügen;
- vom Firmenbuchgericht sofort die Verhängung einer Mindestgeldstrafe von
EUR 700,– über die Gesellschaft und über jedes der vertretungsbefugten Organe mangels gegenteiligen Nachweises unter der Fiktion, die Gesellschaft und ihre Organe hätten schuldhaft die Offenlegung unterlassen, verlangt; - und bei weiterer Säumnis um jeweils zwei Monate sofort die weitere Verhängung jeweils weiterer Mindestgeldstrafen von EUR 700,– über die Gesellschaft und über jedes der vertretungsbefugten Organe wieder mangels gegenteiligen Nachweises unter der Fiktion, die Gesellschaft und ihre Organe hätten schuldhaft die Offenlegung unterlassen, erfordert.
Quellen: OGH 18.07.2011, 6 Ob 142/11t (6 Ob 143/11i, 6 Ob 144/11m, 6 Ob 145/11h, 6 Ob 146/11f, 6 Ob 147/11b, 6 Ob 148/11z, 6 Ob 149/11x, 6 Ob 150/11v, 6 Ob 151/11s, 6 Ob 152/11p, 6 Ob 153/11k, 6 Ob 154/11g) OLG Innsbruck 3 R 119/11s, 3 R 120/11p
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und (Mit-)Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES). Als Rechtsanwalt in Wien beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit dem Gesellschaftsrecht.
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