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Reichweite der Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts bei behaupteter Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts
von Dr. Lukas Fantur | 29. April 2011
Das Firmenbuchgericht hat im Eintragungsverfahren jede Anmeldung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen.
Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts
Zur Sicherstellung der Richtigkeit des Firmenbuchs hat es – wenn auch nur mit den beschränkten Mitteln des Registerverfahrens – auch darauf hinzuwirken, das Firmenbuch von unzulässigen und der wahren Sach- und Rechtslage nicht entsprechenden Eintragungen freizuhalten, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit einer Anmeldung oder Eintragung bestehen.
Die Prüfpflicht darf jedoch nicht überspannt werden. Die Klarstellung zweifelhafter Rechts- und Tatsachenfragen ist dem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten zu überlassen.
Tatsächliche und rechtliche Prüfpflicht
Die materielle Prüfungspflicht umfasst sowohl
- die tatsächliche als auch
- die rechtliche
Prüfung.
Unter rechtlichen Aspekten ist zu prüfen, ob das materielle Recht die begehrte Eintragung gestattet. Prüfungsgegenstand ist neben der Vollständigkeit daher auch die Gesetzmäßigkeit der Anmeldung. Das Augenmerk ist dabei insbesondere auf die Einhaltung der Gläubigerschutzvorschriften zu lenken.
Absolute Nichtigkeit von Rechtsgeschäften von Amtswegen wahrzunehmen
Eine Eintragung ist auch dann abzulehnen, wenn ihr ein nichtiges Rechtsgeschäft zugrunde liegt.
In Fällen absoluter Nichtigkeit, unwirksamer Scheinbeschlüsse oder bei gegen öffentliche Interessen verstoßender Verletzung zwingender Bestimmungen des GmbHG oder anderer gesellschaftsrechtlicher Normen wird daher angenommen, dass das Firmenbuchgericht die Eintragung abzulehnen hat.
Zweck der Verbotsnorm maßgeblich
Liegt der Anmeldung dagegen ein anfechtbares, aber nicht angefochtenes Rechtsgeschäft zugrunde, so ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einzutragen. So hindert ein mangelhafter und anfechtbarer Gesellschafterbeschluss nicht dessen Eintragung im Firmenbuch.
Im Falle einer Sittenwidrigkeit ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen daher zu differenzieren, ob es der Zweck der Verbotsnorm erfordert, einen Vertrag/eine Vertragsbestimmung als von Anfang an als absolut nichtig anzusehen.
Dies wird vor allem dort angenommen, wo der Schutz von Allgemeininteressen oder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt wird. Eine solche absolute Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen.
Relative Nichtigkeit nicht von Amts wegen zu berücksichtigen
Berührt das Unwerturteil dagegen nur die Interessenlage der Vertragspartner, sollen vielmehr sie selbst – oder, wenn nur ein Vertragspartner von einer Norm geschützt werden soll, nur dieser – entscheiden, ob er sich auf die Nichtigkeit eines Geschäfts berufen, dh Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung geltend machen will oder nicht. In diesem Fall ist die Sittenwidrigkeit nur über Einrede wahrzunehmen.
Eine solche Nichtigkeit, deren Geltendmachung in der Disposition der Vertragspartner liegt, kann daher im Eintragungsverfahren nicht von Amts wegen berücksichtigt werden.
Quelle: OLG Wien 18.10.2010, 28R193/10y (GES 2011, 116)
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das Gesellschaftsrecht inklusive dem Firmenbuchrecht.
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Themen: Firmenbuch | 1 Kommentar »
4. Mai 2011 um 06:51
Die Entscheidung habe ich auch in der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES 2011, 116) veröffentlicht.