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Flexible Kapitalgesellschaft: Ungeahnte Haftungen bei Mitarbeiterbeteiligungen
von Dr. Lukas Fantur | 20. Februar 2024
Hier lesen Sie über Haftungsfallen, wenn Angestellte einer Flexiblen Kapitalgesellschaft an dieser Unternehmehmenswertanteile erwerben.
Neue Gesellschaftsform: Flexible Kapitalgesellschaft
Anfang des Jahres wurde in Österreich eine neue Gesellschaftsform, die Flexible Kapitalgesellschaft (abgekürzt FlexCo oder FlexKapG), eingeführt. Damit wurde einem langjährigen Anliegen der sogenannten Start-up-Szene Rechnung getragen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen einfach und unkompliziert an der Gesellschaft beteiligt werden können – ohne teuren Notariatsakt und steuerlich begünstigt.
Flexible Kapitalgesellschaft: Unternehmenswertanteile
Dafür wurde eine eigene Kategorie von Gesellschaftsanteilen geschaffen, die „Unternehmenswertanteile„. Ein bestehendes Dienstverhältnis zur Gesellschaft ist zwar nicht Voraussetzung für eine solche neuartige Beteiligung. Dennoch sind in erster Linie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Start-ups die Zielgruppe.
Solche Unternehmenswertanteile gewähren zwar keine Stimmrechte und auch sonst weniger Gesellschafterrechte. Aber sie beteiligen am Gewinn sowie am Erlös bei einer allfälligen Liquidation. Und sie gewähren ein Mitverkaufsrecht, wenn die Gründungsgesellschafter ihre Anteilsmehrheit an einen Investor verkaufen.
Überhöhte Gehälter verboten
Soweit das „Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz“ keine Sonderbestimmungen für die neue FlexCo enthält, gilt das GmbH-Gesetz, und zwar auch für Unternehmensbeteiligte.
Eine zentrale Bestimmung des GmbH-Rechts ist das sogenannte „Verbot der Einlagenrückgewähr„. Dieses besagt, dass Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern stets fremdüblich sein müssen.
Für einen angestellten Gesellschafter beziehungsweise eine angestellte Gesellschafterin bedeutet das, dass kein überhöhtes Gehalt bezogen werden darf. Geschieht dies dennoch, ist der Dienstvertrag im Ausmaß des nicht fremdüblichen Teilbetrages nichtig und unwirksam. Die überhöhten Gehälter können – und müssen sogar – von der Gesellschaft zurückgefordert werden. Eine Vereinbarung, auf die Rückforderung zu verzichten, ist ebenfalls unwirksam.
In der Praxis kommt es zu solchen Rückforderungen vor allem dann, wenn die Gesellschaft insolvent wird und ein Masseverwalter beziehungsweise eine Masseverwalterin auf den Plan tritt. Dasselbe ist häufig zu beobachten, wenn in der Gesellschaft ein Streit ausbricht. Selbst wenn der ursprüngliche Anlass des Gesellschafterkonflikts mit dem Gehalt gar nichts zu tun hat, wird die Rückforderung der überzogenen Gehälter im Konfliktfall schon deshalb auf den Weg gebracht, um auf die Gegenseite Druck ausüben zu können.
Selbst wenn den betroffenen Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen die Unüblichkeit des Gehalts gar nicht bewusst war, sind sie zur Rückzahlung verpflichtet.
Der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft verjährt erst nach fünf Jahren. War den am Unternehmenswert beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen hingegen bewusst, dass ihre Vergütung unangemessen hoch ist, verjährt der Rückersatzanspruch der Gesellschaft sogar erst nach 30 Jahren.
Aber nicht nur das: Selbst wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eine Gegenforderung gegen die Gesellschaft hat, kann er oder sie damit nicht gegen den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft aufrechnen. Nicht einmal dann, wenn es sich um einen berechtigten und gerichtlich festgestellten Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung wegen einer ungerechtfertigten Entlassung handelt.
Flexible Kapitalgesellschaft: Unerwartete Haftungsfalle
Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer FlexCo, die zusätzlich zum Dienstverhältnis Unternehmenswert-Anteile erhalten, ergibt sich daraus eine echte Haftungsfalle.
Schon bei einer überkollektivvertraglichen Entlohnung beziehungsweise einer unrichtigen Gehaltseinstufung könnte sich die Frage nach der Rechtfertigung der Überzahlung stellen. Noch problematischer wird es, wenn sich der Dienstnehmer oder die Dienstnehmerin zusätzliche Prämien, Tantiemen oder Sachbezüge ausverhandelt.
Geschäftsführer, die überhöhte Gehälter gewähren oder bereits ausbezahlt haben, machen sich auch selbst gegenüber der Gesellschaft haftbar. Dasselbe gilt, wenn sie in der Vergangenheit an Unternehmenswert-Beteiligte ausbezahlte überhöhte Vergütungen nicht zurückforden, auch wenn es um Sachverhalte vor ihrer eigenen Amtszeit geht, die sie erkennen können.
In der bislang erschienenen juristischen Fachliteratur zur neuen Gesellschaftsform der FlexCo wird vereinzelt versucht zu argumentieren, dass diese strengen gesetzlichen Konsequenzen für am Unternehmenswert beteiligte Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen wegen der bestehenden Vergleichs- und Bewertungsschwierigkeiten nicht gelten sollte. Doch sieht das Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz eine solche Ausnahme nicht vor. Dieses beschäftigt sich nämlich sogar ausdrücklich mit der Anwendbarkeit der so genannten Einlagenrückgewähr-Haftung des GmbH-Gesetzes auf die FlexCo. Dabei erfolgt zwar eine geringfügige Einschränkung für Unternehmenswert-Beteiligte. Anders als bei der GmbH kann diese nämlich keine Haftung für unzulässige Leistungen an ihre Mitgesellschafter treffen. Die Haftung der Unternehmenswert-Beteiligten für unübliche Leistungen an sie selbst wurde im FlexCo-Gesetz aber gerade nicht ausgeschlossen.
Flexible Kapitalgesellschaft: Vorsicht bei Überzahlung
Die Attraktivität der FlexCo und ihr Konzept der Mitarbeiterbeteiligung leidet darunter erheblich. Für das Unternehmen wichtige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen durch eine zusätzliche gesellschaftsrechtliche Gewinnbeteiligung an das Unternehmen gebunden werden. Realistischerweise sind aber während der Startup-Phase Gewinne gar nicht zu erwarten. Der durch die Unternehmenswertbeteiligung entstehende Bonus wird sich in den meisten Fällen nur dann realisieren, wenn es gelingt, das Start-up nach einigen Jahren an einen Investor zu verkaufen. Erst dann kann die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter von ihrem Mitverkaufsfrecht profitieren.
Viele Start-ups sind aber schon wenige Jahre nach ihrer Gründung insolvent. Ist das der Fall, war die Unternehmenswertbeteiligung vollkommen wertlos. Dafür droht den beteiligten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern von Anfang an die Rückforderung ihrer über dem fremdüblichen Durchschnitt liegenden Gehälter – für die letzten fünf Jahre, unter Umständen sogar für 30 Jahre. Wer als überdurchschnittlich verdienende Dienstnehmerin oder Dienstnehmer keine Unternehmenswertanteile erwirbt, hat diese Sorgen nicht.
Für alle Beteiligten ist jedenfalls Vorsicht geboten. Bereits jede Überzahlung des kollektivvertraglichen Entgelts sollte gut begründbar sein.
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und (Mit-)Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES). Als Rechtsanwalt in Wien beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit Gesellschafterstreit bzw. Konflikten in Gesellschaften.
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