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GmbH: Wann ist ein Notgeschäftsführer zu bestellen, wann ein Prozesskurator?
von Dr. Lukas Fantur | 2. Januar 2012
Zur Abgrenzung des Notgeschäftsführers für eine GmbH von einem Prozesskurator hat der Oberste Gerichtshof entschieden.
Kernaussage des OGH
Ein Notgeschäftsführer kann nicht bestellt werden, wenn
- für die Gesellschaft bereits ein Prozesskurator für einen bestimmten Prozess bestellt wurde oder
- wenn es nur um die Passivvertretung der Gesellschaft geht und ein Prozesskurator bestellt werden könnte.
Aus den Entscheidungsgründen:
Bestellung eines Notgeschäftsführers
Nach § 15a Abs 1 GmbHG hat das Gericht in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels einen Notgeschäftsführer zu bestellen, wenn die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen.
„Beteiligt“ ist dabei grundsätzlich jeder, der ein Interesse an der ordnungsgemäßen Organzusammensetzung geltend machen kann, also neben
- Gesellschaftern und
- Organen auch
- diejenigen Personen, die einen gegen die Gesellschaft durchzusetzenden Anspruch behaupten.
Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das Firmenbuchgericht streng auszulegen und nur dann gegeben, wenn glaubhaft gemacht wird, dass
- ohne unverzügliche Abhilfe
- erhebliche Nachteile
- für die Gesellschaft oder
- ihre Gesellschafter bzw.
- für Dritte
- drohen.
drohen.
Jedenfalls dann, wenn bereits ein Prozesskurator (§§ 8 ff Zivilprozessordnung) bestellt wurde und keine weiteren dringenden Vertretungsagenden als jene der konkreten Prozessführung anstehen, mangels Dringlichkeit kein Anlass für die Bestellung eines Notgeschäftsführers besteht.
Kein Notgeschäftsführer nur zur Prozessführung
Es macht keinen Unterschied, ob die Gesellschaft als Verfahrenspartei im Verfahren durch einen Prozesskurator oder durch einen Notgeschäftsführer nach vertreten wird; die unterschiedliche Bestellungsart ziehe gleiche Wirkungen nach sich. Deshalb kann bei Bestellung eines Notgeschäftsführers dessen Aufgabenkreis auf die Vertretung der Gesellschaft in einem gegen sie zu führenden Verfahren eingeschränkt werden.
Vertretungsmacht des Notgeschäftsführers
Eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Notgeschäftsführers hat gegenüber Dritten keine rechtliche Wirkung hat; eine derartige Beschränkung könnte auch nicht im Firmenbuch eingetragen werden.
Kein Notgeschäftsführer bloß für zur Prozessführung für eine beklagte GmbH
Bei Fehlen sonstiger dringender Angelegenheiten ist ein Notgeschäftsführer nicht nur dann nicht zu bestellen ist, wenn für die Gesellschaft bereits ein Prozesskurator für einen bestimmten Prozess bestellt wurde, sondern auch dann, wenn es nur um die Passivvertretung der Gesellschaft geht und ein Prozesskurator bestellt werden könnte
Quelle: OGH 16.06.2011, 6Ob79/11b
veröffentlicht in GES 2011, 321
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das GmbH-Recht. Über mich.
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