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GmbH-Geschäftsanteil: Keine Notariatsaktspflicht bei nachträglicher Vereinbarung eines Aufgriffsrechts im Gesellschaftsvertrag – Judikaturänderung
von Dr. Lukas Fantur | 27. März 2011
Für die nachträgliche Begründung statutarischer Aufgriffsrechte im Gesellschaftsvertrag in einer GmbH reicht die notarielle Beurkundung als Formerfordernis. Eines zusätzlichen Notariatsaktes bedarf es nicht.
Das hat der Oberste Gerichtshof entscheiden. Damit ändert der OGH seine bisherige Judikatur. Aus den Entscheidungsgründen:
Bisherige Rechtsprechung des OGH: Doppelte Formpflicht
Angesichts der einhelligen Ablehnung der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat sich der Oberste Gerichtshof zu einer neuerlichen eingehenden Prüfung der Frage entschlossen, ob tatsächlich eine nachträgliche Begründung statutarischer Aufgriffsrechte bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Notariaktsaktspflicht des § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG unterliegt.
Notarielle Beurkundung reicht aus
Auch nach Auffassung des erkennenden 6. Senats sprechen die besseren Gründe dafür, bei der nachträglichen Begründung statutarischer Aufgriffsrechte in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine notarielle Beurkundung als Formerfordernis ausreichen zu lassen.
Dies ergibt sich vor allem aus dem Normzweck:
Wenn man der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG die Funktionen Immobilisierung, Übereilungsschutz des Erwerbers und Publizität der Gesellschafterstellung zuerkennt, so wird deutlich, dass bei der Begründung von Aufgriffsrechten keiner dieser Funktionen eine wesentliche Bedeutung zukommen kann.
Die Immobilisierung soll den börsenartigen Handel mit den Geschäftsanteilen, also den Erwerb Dritter, verhindern, jedoch nicht den Erwerb durch einen Gesellschafter. Der Funktion des Übereilungsschutzes kann in diesem Zusammenhang ebenfalls keine Bedeutung zukommen; immerhin ist zum Zeitpunkt der Statuierung oftmals nicht klar, wer überhaupt der Erwerber sein wird bze. ob dieser überhaupt schon Gesellschafter ist und zu welchem Zeitpunkt diesem das Aufgriffsrecht zustehen wird.
Auch für die Klarstellung, wer Gesellschafter ist, bedarf es keiner Notariatsaktsform der Begründung des Aufgriffsrechts.
Quelle: OGH 17.12.2010, 6Ob63/10y (GES 2011, 65) – PDF 44KB
Anmerkung von Dr. Lukas Fantur
Im Anlassfall wurde der Gesellschafterbeschluss über die Satzungsänderung, mit dem nachträglich Aufgriffsrechte eingeführt wurden, mit einstimmigem Gesellschafterbeschluss unter Beteiligung aller Gesellschafter gefasst.
Einführung des Aufgriffsrechts mit 3/4-Mehrheit?
Mit der Frage, ob eine solche Satzungsänderung auch mit 3/4-Mehrheit zulässig wäre (§ 50 Abs 2 GmbHG), musste sich der OGH hier nicht auseinandersetzen.
Bisher stellte sich in der Praxis die Frage nicht, weil der vom OGH zum Gesellschafterbeschluss zusätzlich verlangte Notariatsakt ohnehin die gleichzeitige Anwesenheit und Mitwirkung aller Gesellschafter an der Einführung des Aufgriffsrechts voraussetzte.
Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich
ME ist richtigerweise Einstimmigkeit zu verlangen – nicht bloß der abgegebenen Stimmen, sondern aller an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter überhaupt.
Denn die nachträgliche Einführung eines Aufgriffsrechts schafft Pflichten für die Gesellschafter, nämlich ihren Anteil im allfälligen Aufgriffsfall abtreten zu müssen.
Das ist mE ein Anwendungsfall des § 50 Abs 4 GmbHG, wonach eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen nur unter der Zustimmung sämtlicher von der Vermehrung betroffenen Gesellschafter beschlossen werden kann.
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das GmbH-Recht.
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Themen: GmbH-Anteile | 3 Kommentare »
12. April 2011 um 07:44
Fachliteratur dazu: Foglar-Deinhardstein, Entscheidungsanmerkung, GesRZ 2011, 125; Fantur, Entscheidungsanmerkung, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2011, 65
10. September 2011 um 22:51
Noch ein Aufsatz dazu: Ettmayer, Form- und Mehrheitserfordernisse bei Begründung von Aufgriffsrechten, ecolex 2011, 715
27. Juni 2012 um 17:43
Vgl dazu auch die OGH-E 14.09.2011, 6Ob81/11x, GesRZ 2012, 180 (mit Anmerkung Fragner)