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Familienverfassung: Das sind die Nachteile
von Dr. Lukas Fantur | 15. April 2025
Im Schrifttum ist zu lesen, dass der Familienverfassung immer mehr Bedeutung zukomme, sie bereits Tradition habe. Sie wird als „hilfreiches Rahmenwerk“ der Praxis empfohlen.
Zu Recht?
Als Regelungsinhalte von Familienverfassungen werden vorgeschlagen:
- Einrichtung eines „Familientags“ oder einer „Familienversammlung“ oder eines Beirats
- Regelungen darüber, wer Geschäftsführer sein darf
- Dividendenpolitik, Eigenkapitalquote, Fremdkapital
- Sanktionen bei Verletzung
- Verhaltensordnung für Konflikte usw.
Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in Gesellschafterstreitigkeiten, die sich besonders häufig in Familiengesellschaften abspielen, kann ich die Behauptung, Familienverfassungen seien in der Praxis vermehrt anzutreffen, jedoch keinesfalls bestätigen.
Was ist eine Familienverfassung eigentlich?
Diese Frage ist bereits das Problem: Man weiß es nicht. Die Familienverfassung kann alles und nichts sein.
Sie ist im Gesetz nicht erwähnt und in der Literatur werden die unterschiedlichsten Sichtweisen vorgeschlagen:
- von rechtlicher Unverbindlichkeit über
- Rahmenvertrag,
- Vereinbarung „eigener Art“,
- „Rechtsverhältnis mit rechtsgeschäftlichem Bezug“ bis zur
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts
wird alles vertreten.
Familienverfassung: Es kommt darauf an …
Richtig ist aber nur: Es kommt darauf an. Wer mit einer Familienverfassung konfrontiert ist, muss am Einzelfall prüfen, was er eigentlich vor sich hat.
Somit stellen sich schwierige Fragen
- der Durchsetzbarkeit,
- des einzuhaltenden Rechtswegs,
- der Aktiv- und Passivlegitimation im Streitfall, etwa bei Beschlussmängelstreitigkeiten von Gremien usw.
Schon allein der Umstand, dass die Rechtsnatur und die Verbindlichkeit, aber auch die Durchsetzung einer Familienverfassung nur im Einzelfall geprüft und erforscht werden können, ist Argument genug, für die Praxis von der Verwendung einer so genannten Familienverfassung dringend abzuraten.
Jeder Fall ist naturgemäß ein Einzelfall mit entsprechend unvorhersehbarem Ausgang.
Entgegen anderer Auffassungen im Schrifttum vertrete ich daher die Ansicht, dass eine Familienverfassung keineswegs als Hilfe und Unterstützung oder sinnvolle Rahmenvereinbarung für Familienunternehmen und ihre Gesellschafter gesehen werden kann.
Rätsel Familienverfassung: Lieber nicht
Zu Recht wird in der Literatur vereinzelt vom „Rätsel Familienverfassung“ gesprochen.
Eine Familienverfassung mag ein interessantes theoretisches Gedankenmodell sein. Für die Praxis und zur vorbeugenden Streitvermeidung ist sie aus meiner Sicht völlig ungeeignet.
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